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Bericht 49 +++ Juli-August 2008 +++ Auf dem Stuart Highway

Über drei Monate brauchten wir für die 2.868 Kilometer von Darwin im äußersten Norden Australiens südwärts bis in die verlassene Geisterstadt Beltana im australischen Outback, 2.333 km auf dem asphaltierten "Stuart Highway", und 535 km auf einer sogenannten unasphaltierten "Dirt Road", dem "Oodnadatta Track". Der Stuart Highway führt mitten durch das Herz Australiens, rund 3.000 km von Nord nach Süd. Er ist benannt nach dem tollkühnen Entdecker John McDouall Stuart, der 1862 mit einer Expedition von 9 Männern und 71 Pferden als erster Weißer den Kontinent durchquerte. Wir können uns nur annähernd die Strapazen vorstellen, die diese Männer ertragen mussten, denn schon mit dem Fahrrad ist es äußerst ermüdend und eintönig, diese Strecke zurückzulegen. Doch will man Australien in dieser Richtung auf einer asphaltierten Straße mit einer guten Infrastruktur befahren, ist dies die einzige und bequemste Möglichkeit den Kontinent zu durchqueren.

Der Verkehr auf dieser Strecke ist angenehm spärlich. Wir starteten unseren Trip im Juli, in der sogenannten Trockenzeit mit angenehmen Temperaturen um die 25 Grad und zuverlässigem Sonnenschein. Im Süden Australiens war es jetzt Winter, unangenehm kalt und regnerisch. Aus diesem Grund gibt es zu dieser Jahreszeit sehr viele Camper, die mit PS-starken Autos riesige Wohnwagen mit allem erdenklichen Luxus hinter sich herziehen, um den unangenehmen Temperaturen im Süden zu entfliehen. Gigantische Wohnmobile, die zusätzlich noch ein Boot oder PKW hinter sich herziehen, oder gleich beides zusammen und eventuell noch einen Motorroller dazu, gehören ebenso zu dieser australischen Campergesellschaft. Wir übernachteten gelegentlich auf den spärlich gesäten Campingplätzen, um zu duschen und Klamotten zu waschen und bekamen zwangsläufig einen Einblick in diese kuriose Kultur der wackligen Mobilität. Meist sind die Leute im Rentenalter, in 90 Prozent der Fälle leiden sie an Übergewicht, sie treffen sich an den immer gleichen Plätzen, um beim australischen Nationalgericht, dem beliebten Barbecue, Steaks, Würstchen und australischen Wein zu genießen. Dabei wird in Klappstühlen vor den Wohnwagen gesessen und bei einem Schwätzchen die letzten Neuigkeiten ausgetauscht. Die Leute sind häufig monatelang unterwegs an unterschiedlichen Schauplätzen, denn Australien ist groß und Rentner haben Zeit und Geld. Man gönnt sich was, denn man hat es sich durch lebenslange Arbeit schließlich ehrlich erworben. Manche sind nicht mehr in der Lage verantwortungsvoll ein Fahrzeug zu führen, und man hat Angst ihnen später auf der Straße am Steuer ihrer fahrenden Häuser zu begegnen. Häufig unterschätzen sie die Dimensionen ihrer Mobile und überholen viel zu knapp. Das Tragische an dieser Szene ist, dass sie sich nur auf den langweiligen äußerst spärlich gesäten geteerten Hauptstraßen bewegen können, denn auf den Dirt Roads, dort wo Australien wirklich interessant ist, wären sie mit ihren wackligen Gefährten nicht in der Lage sich fortzubewegen.

Die anderen "Feinde" auf der Straße sind die sogenannten "Road Trains". Das sind gewaltige Straßenzüge, wie es sie wohl nur in Australien gibt. Sie sind oft über 50 Meter lang, und haben meist 3 Anhänger. Einmal zählten wir bei einem solchen Straßenzug 22 Achsen und 86 Reifen. Wenn diese an einem vorbeidonnern, wird einem als Fahrradfahrer Angst und Bange, und oft flüchteten wir uns auf den unbefestigten Randstreifen. Durch Hörensagen erfuhren wir, dass sie wegen dem enormen Druck der Unternehmen mehrere Tage ohne Schlaf durchfahren, dabei sollen auch aufputschende Drogen im Spiel sein. Wohl der Wirtschaft zuliebe scheint die Polizei in dem scheinbar gesetzlich so sehr durchkontrollierten Australien hier die Augen zuzumachen, wir sahen auch keine Polizeikontrollen. Diese Übermüdung der Fahrer macht sich dann auch oft in der schwankenden Fahrweise bemerkbar bei den ohnehin schwer kontrollierbaren Fahrzeugen. Die Unzahl überfahrener Kängurus geht wohl hauptsächlich auf die Rechnung dieser Road Trains, denn Ausweichen oder Bremsen ist den Fahrern wegen der Masse und Wuchtigkeit ihrer Vehikel so gut wie unmöglich. Wahrscheinlich braucht man sich über das Überleben der Spezies Känguru keine Gedanken zu machen, doch der Umgang mit den Überresten dieser Lebewesen ist äußerst unwürdig. Niemand kümmert sich um die Beseitigung der Kadaver und sie werden so lange plattgefahren, bis sie eins werden mit dem Asphalt, oder sie werden am Straßenrand der Verwesung überlassen. Man findet alle Stadien des Verfalls vor, von frisch überfahren bis zum verfallenen Knochengerüst.

Obwohl Australien flach ist, waren die 2.868 km von Darwin bis Beltana eine der schwierigsten Etappen auf unserer Reise. Aber gerade wenn es schwierig wird, fängt es an für uns interessant zu werden. Die größten Probleme waren der Wind und die Öde der australischen Landschaft. Die ersten 1.500 Kilometer bis Alice Springs kam der Wind fast ausschließlich aus Südosten. Da wir meist nach Süden fuhren, kam er also fast ausschließlich von links vorne. Und das geht auf die Psyche. Berge sind unabänderlich dort wo sie sind, als Fahrradfahrer findet man sich mit ihnen ab. Mit dem Wind ist das anders. Man fragt sich, warum kannst du denn nicht einmal von hinten blasen, und man bildet sich ein, der liebe Gott will einen ärgern und ist nicht bereit einem diesen Gefallen zu tun. Manchmal fuhren wir bei ausreichend hellem Mond in der Nacht, um wenigstens ein paar Stunden Ruhe vor dem Wind zu haben. Ein anderer Trick ist abwechselnd im Windschatten des anderen zu fahren, was einiges an Kraft sparen kann. Oft fluchten wir lauthals in den Pausen, wie wir so bescheuert sein können, wochenlang gegen diesen ätzenden Wind anzukämpfen. Unsere Zweifel an dem was wir taten steigerten sich noch, wenn wir Fahrradfahrer trafen, die in die andere Richtung fuhren und bis zu 160 Kilometer am Tag machten (wir meist nur um die 50 km). Naiv fragten sie uns dann, warum wir in die falsche Richtung radeln, und schlugen uns vor nach Adelaide zu fliegen und den Highway in der anderen Richtung zu befahren. Wir mussten ihnen erklären, dass unser Ziel Neuseeland sei, und Neuseeland nunmal in südlicher Richtung liege, und dass wir mit dem Fahrrad unterwegs sind und nicht mit dem Flugzeug. Unsere Hoffnung auf Besserung schwand mit jedem weiteren Kilometer Richtung Süden und wurden nach Gesprächen mit vielen Australiern vollständig begraben. "The wind blows in this season always from this direction." Natürlich wurden wir nicht bemitleidet, was wir auch gar nicht erwarteten, denn diese Bürde hatten wir uns selbst aufgeladen, und gerade deshalb stellten wir auch den Sinn in Frage. Wir hatten uns nun wirklich oft genug unsere Leistungs- und Leidensfähigkeit bewiesen, und das in Ländern, die wesentlich reizvoller waren, über 5.000 Meter hohe Pässe auf unasphaltierter Straße wie in Tibet.

In vielerlei Hinsicht scheint Australien das ideale Fahrrad-Reiseland zu sein: Keine Grenzen, wenig Verkehr, gute Straßen (wenn man auf den Hauptverbindungen bleibt), flach, keine Sprachprobleme, gute Karten, wenig Kriminalität, Campen fast überall möglich. Wenn man seine Leidenschaft rein aufs Radeln beschränkt und Freude daran hat, gedankenlos über schier endlose Pisten zu gleiten, dann ist Australien ideal. Uns war das nie genug. Wir sehen das Rad fahren eher als temporären Lebensstil, eine Möglichkeit uns langsam und umweltfreundlich über diesen Erdball zu bewegen. Die Landschaft Australiens ist uns einfach zu eintönig und zu flach. Wir lieben die Berge, die nach einem langen Aufstieg wohlverdiente Abfahrt und das klare Wasser aus den Gebirgsbächen. Auch das traditionelle Leben der Aborigines, der Ureinwohner von Australien ist größtenteils zerstört. Sie leben meist von Sozialhilfe und ertränken ihre verlorene Kultur im Alkohol. Campen ist hier zwar überall möglich und erlaubt, doch wirklich schön ist es meist nicht. Wegen der spärlichen Vegetation ist es häufig schwierig ein schattiges Plätzchen zu finden, Flüsse gibt es zwar ziemlich häufig, doch nie war es uns möglich an einem See oder Fluss zu zelten, weil schlicht alles ausgetrocknet war zu dieser Jahreszeit. Schlägt man sein Zelt vor Sonnenuntergang auf wird man von hunderten aggressiven Fliegen attackiert, die sich an den menschlichen Körperflüssigkeiten laben. Will man sich draußen aufhalten, muss man sich ein Moskitonetz über den Kopf ziehen, ansonsten muss man sich ins Zelt verkriechen und liegend seine freien Stunden verbringen. Die Fahrräder in den Busch zu schieben ist auch nicht ganz ungefährlich. Einmal hatten wir den Super-GAU von vier platten Reifen. In jedem Reifen steckten etwa 20 Dorne. Aus diesem Grund sahen wir des Öfteren vom Campen im Busch ab und zelteten auf dornenfreien sogenannten "Rest Areas".

Abgesehen von den Schwierigkeiten des Fahrradreisens und damit verbundenen Campens ist Australien aber trotzdem ein einmaliges und faszinierendes Land. Die grenzenlose Weite und Unberührtheit des Outbacks hat eine gewisse unbeschreibliche Magie und im Grunde kann man dankbar sein, dass der Großteil des Landes für den Menschen keinen Nutzwert hat, denn nur aus diesem Grund ist es größtenteils noch naturbelassen. Nach der Ansicht der Aborigines ist das Land nicht für den Menschen erschaffen worden. Die sonst öde und gleichförmige Landschaft wird von einigen Highlights unterbrochen. Wir besuchten die "Devils Marbles", einer von vielen heiligen Orten der Aborigines.

Die Welt der Ureinwohner ist von vielen mystischen Geschichten durchdrungen. Die riesigen runden Stein­felsen mitten im Nirgendwo der au­stra­li­schen Wüste halten sie bei­spiels­weise für die Eier der Regenbogenschlange "Kurangali", das mächtigste Wesen in ihrer Traumzeit. Das Wesen soll die meiste Zeit schlafen, doch wird es geweckt, soll es Erdbeben und Flutkatastrophen auslösen und sogar Menschen fressen. Die eher langweilige wissenschaftliche Erklärung hält sie für Überbleibsel flüssiger Lava, die im Laufe von Jahrmillionen erodiert ist. Australien ist ein Kontinent im geologischen Koma. Vulkanische Aktivität gibt es hier seit Äonen nicht mehr. Die wenigen kleinen Berge (wie den berühmten "Ayers Rock"), die man im Innern des Kontinents noch vorfindet, sind Überbleibsel einer längst vergangenen Epoche, in der einst gigantische Gebirge von der Größe des Himalaja die Landschaft dieses uralten Kontinents prägten.   andreaslina@yahoo.de



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